Es gibt Sessionen, in denen keine oder nur wenige spektakuläre Geschäfte behandelt werden. Die Frühjahrs- wie die Sondersession 2019 gehören dazu. Das bedeutet nicht, dass die verabschiedeten Geschäfte nicht wichtig wären. Es zeigt vielmehr, dass es die Pflicht der Mitglieder der Eidgenössischen Räte ist, sich um alle politischen Themen zu kümmern, unabhängig vom Interesse der Medien und der Öffentlichkeit. Ein Doppelbesteuerungsabkommen ist ebenso bedeutend, wie das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste oder das Bundesgesetz über die steuerliche Behandlung finanzieller Sanktionen.
Ein merkwürdiges Phänomen zeigte sich bei der Behandlung des Verpflichtungskredits für die Nationalstrassen 2020-2023 in der Frühjahrssession. Der Nationalrat ergänzte die Liste der Ausbauschritte auch um Projekte, die von der Bundesverwaltung noch gar nicht bearbeitet wurden. Man entschied über neue Strassenabschnitte und Tunnels, ohne die Kosten zu kennen. Ich habe nichts gegen die Erweiterung des Strassennetzes und bin auch dafür, dass Spurerweiterungen umgesetzt werden, um die chronischen Stau-Situationen zu beheben. Seriöse Planung auf der Basis der Arbeit der Verwaltung und des Bundesrats sollten aber berücksichtigt werden. Ich wünschte mir, die Gelder für die Bildung, für unsere Universitäten, die Fachhochschulen, die Berufsbildung und auch für Massnahmen der Weiterbildung würden so locker und grosszügig gesprochen wie die Gelder für die National- und Umfahrungsstrassen.
Das Gesetz über Ergänzungsleistungen wurde revidiert. Bei einigen Anträgen für Einsparungen habe ich dagegen gestimmt, ich finde wichtig, dass das soziale Netz tragfähig bleibt. Leider hatte ich bei meiner Unterstützung zur Beibehaltung der Kinderrenten in bisheriger Form keinen Erfolg, es wurde gekürzt. Hingegen ist die Anpassung der Beiträge für Miete beschlossen worden, was ich wichtig finde. Die diversen Sozialleistungen dienen auch dem Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Wir müssen verhindern, dass soziale Spannungen entstehen, wie wir sie leider aus Nachbarstaaten kennen.
Interessant waren diverse Gespräche am Rande des politischen Tagesgeschäftes. Im Vordergrund standen Diskussionen über die Haltung der FDP-Fraktion, der ich als LDP-Nationalrat angehöre, zum CO2 – Gesetz. Bekanntlich fiel dieses Gesetz in der Schlussabstimmung der Wintersession durch, weil eine Allianz von SP, Grünen und SVP dagegen stimmte, aus unterschiedlichen Gründen. Die Umfrage, welche die FDP bei ihren Mitgliedern nach heftiger Kritik aus der Öffentlichkeit nach dem Scheitern der Vorlage durchführte, hat gezeigt, dass ein Teil der Basis sich stärkeres Engagement auch im Umweltbereich wünscht. Das erstaunt mich nicht. Beim Thema „Umwelt“ haben sich Basler Liberale immer sehr stark eingebracht. Der unvergessene Parteipräsident Martin H. Burckhardt, zahlreiche Grossratsmitglieder und Parteimitglieder waren und sind der Nachhaltigkeit verpflichtet und haben entsprechend auch ökologische Anliegen vertreten oder in die Politik eingebracht. Vielleicht liegt darin einer der diversen Unterschiede zwischen LDP und FDP; die LDP hat sich bereits in Zeiten, in welchen es den Begriff Nachhaltigkeit in den Parteiprogrammen noch nicht gab für ein Gleichgewicht zwischen Ökonomie. Ökologie und Sozialem eingesetzt. Dazu gibt es zahlreiche Beispiele.
In der Sondersession liess die Revision des Jagdgesetzes die Emotionen teil- und zeitweise hoch gehen. Es ging um eine Erweiterung der Möglichkeiten, Wildbestände zu regulieren. Die Diskussionen drehten sich um Abschussbewilligungen für Wolf, Luchs, Biber und auch Schwäne. Vor dem Hintergrund der grossen Anstrengungen, einzelne bei uns nicht mehr lebende Tierarten wieder anzusiedeln, mag es grotesk klingen, wenn jetzt Abschuss-Verbote aufgehoben oder gelockert werden. Ein gewisses Verständnis kann man dem Kanton Wallis entgegen bringen, wo die meisten Verluste von Nutztieren – vorwiegend Schafe – zu verzeichnen sind.
Für Basel wichtig und erfreulich ist die Neuregelung des Finanzausgleichs. Der Soziodemographische Lastenausgleich konnte im Sinne unseres Kantons neu geregelt werden. Es wird künftig mehr Geld für die Städte und Agglomerationszentren geben. Unser ehemaliger Finanzdirektor Ueli Vischer hat sich seinerzeit, bei der Neuregelung des Finanzausgleichs für dieses neue Gefäss stark gemacht und den Grundstein gelegt für die Gelder, die unter diesem Titel Basel-Stadt erhalten kann.
Das Versicherungsgesetz wurde in der Sondersession revidiert. Der Nationalrat fand einen Kompromiss zwischen den Anliegen der Versicherer und denen der Versicherten. Die Kampagne in den Medien seitens des Konsumentenschutzes zeigte da und dort Wirkung; die Anliegend er Versicherungswirtschaft wurden zum Teil abgelehnt oder aber abgeschwächt. Das Geschäft wird noch vom Ständerat behandelt, es werden einige Differenzen resultieren.
Die Sondersession war mit drei Tagen kurz, das Programm aber intensiv. Die Worte von Polit-Urgestein Helmut Hubacher kamen mir am Ende des dritten Sondersessionstages in den Sinn:“ Man kommt gerne in die Session, nach den drei Wochen geht man aber auch gerne wieder heim.“ Offensichtlich hat das auch Gültigkeit für ein weit weniger lang dauerndes Zusammenkommen des Nationalrats.
Frühjahrssession und Sondersession 2019 aus dem Nationalrat