Wir alle haben 2020 als zumindest aussergewöhnliches, viele von uns auch als Jahr mit tragischen Ereignissen erlebt. Menschen sind gestorben, die nicht hätten sterben müssen, wären sie nicht vom Virus befallen worden. Existenzen wurden zerstört oder bedroht. Kontakte unterbunden. Die Normalität wich Ausnahmezuständen.
Konfrontiert mit den Folgen der Pandemie kamen mir oft Schilderungen meiner Eltern und Grosseltern in den Sinn, die ab und zu aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs erzählten. Es gibt Parallelen. Eine Bedrohungslage. Ungewissheit über die Zukunft. Einschränkungen der Freiheiten. Es geht nicht darum zu werten, welche Zeit schlimmer war. Es geht darum, aus Extrem- und Ausnahmesituationen zu lernen.
Und damit sind wir bei der Politik. Politische Entscheide sollen helfen, Probleme zu lösen – eine banale Feststellung. Die Bekämpfung der Pandemie und ihrer Folgen verlangte rasches und entschiedenes Handeln der politischen Verantwortlichen. Die Befugnisse wurden gemäss dem Epidemiengesetz zeitweise dem Bundesrat übertragen. Dadurch entstand eine Konstellation, die wir bisher nicht kannten. Ein Gremium von sieben Personen entscheidet alleine. In der Schweiz sind wir nicht gewöhnt, Befehlen zu folgen. Jeden Entscheid einer Exekutive können wir in einer Gemeindeversammlung oder mit einem Referendum bekämpfen. Darin besteht ein Unterschied zu anderen Ländern. Ich erwähne das, um aufzuzeigen, wie schwierig es ist, den richtigen Entscheid zu fällen.
Das Parlament hat seine Frühjahrsession nach der zweiten Woche abgebrochen. Heftige Diskussionen sind vorausgegangen. Eine Parlamentarierin wurde zurecht gewiesen, weil sie eine Schutzmaske trug. Die Kommissionssitzungen fanden ab März 2020 ausserhalb des Bundeshauses statt. Zuerst im Hotel Bellevue Palace in Bern, wo die Sitzungsräume grösser sind als die im Bundeshaus. Später fanden eine ausserordentliche Session im Mai und die Kommissionssitzungen in den Räumen der Bern Expo statt, ebenso die Sommersession. In den grossen Messehallen konnten die erforderlichen Abstände eingehalten werden. Nach der Sommersession wurde beschlossen, wieder im Bundeshaus zu tagen, nachdem dort Plexiglaswände zwischen den Plätzen in den Ratssälen und Sitzungszimmern aufgestellt worden waren. Für mich ist dieser Entscheid nicht konsequent und steht im Widerspruch mit den Einschränkungen, die für Versammlungen erlassen worden sind. Symbolik stand im Vordergrund.
Inhaltlich galt es, die Beschlüsse des Bundesrats „abzusegnen“. Dies erfolgte rasch und es zeigte sich, dass breite Zustimmung zu den Hilfsmassnahmen herrschte. Längere Diskussionen gab es beim Antrag, die Vermieter gesetzlich zu verpflichten, auf 60% ihrer Mietennahmen zu verzichten. Die Bürgerlichen haben sich – aus meiner Sicht zu Recht – dagegen gewehrt und letztlich obsiegt. Leider gab es keine Gefolgsbereitschaft für Modelle, wie sie in Basel rasch und auf freiwilliger Basis umgesetzt worden sind mit Drittelsbeiträgen von Mietern, Vermietern und des Staates.
Ich habe mich in der Wissenschafts- Bildungs- und Kulturkommission des Nationalrats für die Kulturschaffenden, den Sport und die Weiterbildung eingesetzt. Ich finde, dass der Staat dann helfen soll, wenn er die Akteure der Wirtschaft daran hindert, tätig zu sein. Die Massnahmen bei der Kurzarbeit, bei den Entschädigungen für Selbständige, die Kreditgewährung sind zu begrüssen. Auch richtig ist die nachträgliche Einführung der Härtefallregelung. Wichtig aber, dass alle Hilfsmassnahmen weiter geführt werden, so lange die Einschränkungen aufrecht erhalten werden müssen. Weder der Bundesrat noch die Kantonsregierungen sollen zu restriktiv sein mit Unterstützungsleistungen. Wird nicht genügend finanziert, fallen mit Verzögerung höhere Ausgaben bei der Sozialhilfe an. Wichtig auch, dass eine gewisse Flexibilität möglich ist, Erfahrungen aus der bisherigen Bewältigung der Pandemiefolgen sollen genutzt werden, das Verhalten der Politik anzupassen.
Die anderen Geschäfte, die nichts mit der Pandemie und deren Bewältigung zu tun haben, traten etwas in den Hintergrund. Das CO2-Gesetz wurde im zweiten Anlauf verabschiedet. Das letzte Wort wird das Volk haben, das Referendum wurde von Wirtschaftskreisen und Teilen der Klimastreik-Bewegung ergriffen. Ich befürworte dieses Gesetz, Handlungsbedarf ist gegeben. Die LDP hat auch im Grossen Rat Massnahmen zugestimmt, die mithelfen die CO2-Emissionen zu reduzieren.
Zugestimmt habe ich auch der Vorlage „Ehe für alle“. Bereits 1998 habe ich für die Liberale Fraktion vom Bundesrat eine Überprüfung der Situation gleichgeschlechtlicher Paare gefordert.
Beim Geldwäschereigesetz hätten „Berater“ einbezogen werden sollen, also Advokaten und Treuhänder. Das finde ich nicht sinnvoll, deshalb habe ich den Antrag auf Rückweisung an die Kommission unterstützt.
Die Trinkwasser- und die Pestizid-Initiative haben grosse Chancen, vom Volk angenommen zu werden, deshalb hätte ich einen griffigen Gegenvorschlag der jetzigen Regelung einer gesetzlichen Regelung vorgezogen. Beim Trinkwasser kann nicht toleriert werden, dass Dünger- und Pestizidrückstände geduldet werden, die Bauern verfügen nach wie vor in der SVP und auch in der CVP-Mitte-Fraktion über einen starken Muskel.
Erfreulich war, dass mein Antrag in der Bildungskommission auf Erhöhung der Mittel um 20,4 Mio. Franken für die berufsorientierte Weiterbildung im Rahmen der Botschaft für Forschung und Innovation in beiden Räten eine Mehrheit fand. Als Präsident der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) befürchte ich ein Ansteigen der Anzahl der Sozialhilfe-Empfänger, wenn es nicht gelingt, von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen weiter zu bilden und in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren.
Neben Bildungsthemen engagiere ich mich auch für Anliegen der forschenden Industrie. Meine Motion zur Schaffung eines nationalen Forschungsprogramms Alzheimerkrankheit wurde vom Nationalrat angenommen, ich hoffe, dass der Ständerat folgen wird, unverständlich, dass der Bundesrat ablehnend geantwortet hat. Meine Vorstösse, endlich anonymisierte Patientendaten auch der forschenden Industrie zur Verfügung zu stellen, lehnt der Bundesrat ab. Die Pharmaindustrie beklagte sich mehrfach über diesen Zustand. Andere Länder stellen entsprechende Daten zur Verfügung. Es ist zu hoffen, dass die Forschung der grossen Pharma-firmen nicht aus der Schweiz ausgelagert wird, weil die Bedingungen hier nicht optimal sind. Auch mit angezogener Handbremse begegnet der Bundesrat der Forderung, die ich zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Parteien in Vorstössen formuliert habe, die drohende Antibiotika-Resistenz zu bekämpfen. Man müsste deutlich mehr tun und insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Grundlagenforschung an den Hochschulen und der forschenden Industrie fördern; die entsprechenden Anstrengungen in der Corona-Erforschung müssten wegweisend sein.
Bedenklich stimmt mich, dass von den fünf Nationalratsmitgliedern unseres Kantons, der seinen Reichtum weitgehend der Pharmaindustrie verdankt, vier für Annahme der Unternehmensverantwortungsinitiative gestimmt haben. Das zeigt, wie wichtig es auch in Zukunft ist, eine LDP-Vertretung im Nationalrat zu haben, es verdeutlicht auch, dass die Grünliberalen es nicht so ernst meinen mit ihrer immer wieder behaupteten Wirtschaftsfreundlichkeit.
Allen Parteimitgliedern und anderen, die mir Anregungen und Vorschläge für Aktivitäten im Parlament zukommen liessen danke ich dafür. Den Mitgliedern und Sympathisanten der LDP danke ich für ihre Beiträge zur Unterstützung unserer Partei und ihrer Haltung. Es macht nach wie vor Freude, im Nationalrat zu wirken.