Viele wichtige Geschäfte standen auf der Traktandenliste des Nationalrats für die Frühjahrsession vom 2. bis zum 21. März. Mit dem Entscheid zum Abbruch vor der letzten Sessionswoche und dem Verzicht auf die finale Beratung und die Schlussabstimmungen war es eigentlich gar keine richtige Session.
Die Beratung der diversen Geschäfte konnten Sie den Medien entnehmen. Deshalb an dieser Stelle einige Informationen aus der Innen-Ansicht. Die SVP hat in der zweiten Woche den Antrag auf Abbruch gestellt. Argumentiert hat ihr Fraktionschef Thomas Aeschi mit der Ansteckungsgefahr. In Tat und Wahrheit wollte die SVP aber ein anderes Geschäft nicht vor der Volksabstimmung über die Personenfreizügigkeit behandelt wissen: die Überbrückungsleistung für ältere Arbeitslose. Der Bundesrat hat erfreulicherweise das Problem älterer Arbeitsloser aufgenommen und eine Lösung vorgeschlagen. Ich habe das sehr begrüsst, auch weil ich als Präsident der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) relativ nahe an den Problemen bin, welche ältere Menschen plagen, die nach 30 und mehr Jahren Erwerbstätigkeit die Stelle verloren haben und trotz zahlreicher Bewerbungen nicht mehr angestellt werden. Ohne eine zusätzliche staatliche Hilfe geraten diese Leute in die Sozialhilfe. Zuvor müssen sie ihr Vermögen aufbrauchen bis zum Betrag von CHF 4000. Weil das für Menschen kurz vor der Pensionierung eine Härte darstellt, besteht Handlungsbedarf. Der Bundesrat handelt aber auch taktisch: Bei der Volksabstimmung über die Masseneinwanderungsinitiative haben sehr viele ältere Menschen zugestimmt, weil sie befürchteten, dass ältere Einheimische auf dem Arbeitsmarkt von jungen Ausländern verdrängt werden. Diesem Segment der Bevölkerung wollte man mit der Überbrückungsleistung das Argument nehmen, der SVP zu folgen bei er Abstimmung über die Personenfreizügigkeit. Also: Manöver des Bundesrats und versuchtes Abwehrmanöver der SVP. Weil weder die Schlussabstimmung über diese neue Sozialleistung durchgeführt werden konnte und auch die Volksabstimmung vom Mai auf den Herbst verschoben worden ist, ist vorerst keine dieser Strategien aufgegangen.
Interessant auch der Streit um die Unternehmensverantwortungs-Initiative. Linksparteien, Kirchen und Hilfswerke haben diese lanciert. Ein Gegenvorschlag der Nationalratskommission hat im Nationalrat eine Mehrheit gefunden. Der Ständerat hat einen eigenen Gegenvorschlag ausgearbeitet, der weniger weit geht. Weil sich die Räte nicht einigen konnten, steht eine Einigungskonferenz an. Diese konnte nicht durchgeführt werden. Ich lehne die Initiative und den nationalrätlichen Gegenvorschlag ab. Die Ausdehnung der Haftung durch Initiative und NR-Gegenvorschlag hätte auch negative Auswirkungen auf Firmen, die sich „anständig“ verhalten. Renommierte international tätige Schweizer Unternehmen könnten leichter in Prozesse verwickelt werden, was mit grossem Aufwand verbunden wäre. Wir sollten die Bedingungen für die Wirtschaft nicht hausgemacht verschlechtern und unseren Firmen Wettbewerbsnachteile auferlegen. Im Nationalrat habe ich mich gegen den Gegenvorschlag des Nationalrats ausgesprochen und auch für eine Empfehlung auf Ablehnung der Initiative gestimmt. Ich blieb der einzige Basler Vertreter in der grossen Kammer, der im Sinne der Wirtschaft stimmt. Die Vertreter der Linken und die Nationalrätin der Grünliberalen sehen das anders, votieren für die Initiative bzw. den Gegenvorschlag und die Empfehlung auf Annahme –bemerkenswert diese Haltung der Grünliberalen, die sich gerne wirtschaftsfreundlich nennen. Die Einigungskonferenz steht noch bevor. Dort geht es darum, ob der Gegenvorschlag des Nationalrats oder der des Ständerats, den ich unterstütze, dem Volk vorgelegt werden soll.
Die Schweiz schliesst mit möglichst vielen Ländern Doppelbesteuerungs-Abkommen ab. Dies schafft Klarheit für Betroffene und verhindert Diskussionen zwischen den Steuerbehörden dieser Länder. Fast lustig ist die Ablehnung praktisch aller Abkommen durch SVP-Vertreter. Die Mehrheit des Rats sieht dies richtigerweise anders.
Die Session endete eine Woche früher als vorgesehen und ohne Beschlüsse. Gemäss Verfassung und Epidemiengesetz kann der Bundesrat Entscheide treffen, die nicht den üblichen parlamentarischen Vorlauf haben. Dies hat er in den letzten Wochen getan. Aus meiner Sicht hat er – zusammen mit Experten – richtige Entscheide getroffen und umgesetzt. Die Hilfsmassnahmen traten gestaffelt in Kraft, es wurde da und dort nachgebessert. Der Dialog mit Kantonen und der Wirtschaft fand statt. Es is gelungen, die Bevölkerung von der Notwendigkeit der einschränkenden Massnahmen zu überzeugen. Niemand – weder der Bundesrat, das Parlament noch die Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz – haben Erfahrungen mit solchen Notmassnahmen. Es gibt für den Bundesrat und die Verwaltung kein Handbuch für solche Situationen (das wird vielleicht auf der Basis der Erkenntnisse dieser Krise erstellt). Ich finde, dass der Bundesrat, das Bundesamt für Gesundheit mit Herrn Dr. Koch und die anderen involvierten Stellen des Bundes sehr gute Arbeit geleistet haben. Natürlich gibt es die eine oder andere Lücke, die eine oder andere fehlende Abstimmung in der Unterstützung. Um die Zielsetzung, die weitere Ausdehnung der Pandemie im Land zu verhindern, erreichen zu können, sind die Massnahmen aber tauglich. Es wurde in der Bundesverwaltung und im Bundesrat ausgezeichnete Arbeit geleistet.
Die Räte sind in der Sondersession von anfangs Mai in der Messehallen in Bern aufgefordert, die Beschlüsse des Bundesrates nachträglich „abzusegnen“. Dies ist zwingend erforderlich. In diesen Tagen trafen sich die zuständigen Ratskommissionen zur Vorberatung der Geschäfte. Dies ist zum Teil im Hotel Bellevue erfolgt, für die kleineren Kommissionen des Ständerats im grössten Sitzungszimmer des Bundeshauses. Die Hygiene-Massnahmen konnten eingehalten werden. Die Parlamentsdienste haben auch in dieser nicht einfachen Situation hervorragende Arbeit geleistet.
Es gilt jetzt, den Weg in die Normalität mit Bedacht einzuschlagen, eine weitere Welle dieser Pandemie würde weit schwerwiegender Folgen für die Wirtschaft zeitigen, besonders auch für die Gesundheitsversorgung. Es wird für zahleiche Firmen äusserst schwierig, wieder Tritt zu fassen, trotz der Hilfsmassnahmen. Ich finde wichtig, dass wir sobald als möglich und soweit wir können unsere Firmen durch unser Konsumverhalten unterstützen, sie brauche möglichst rasch wieder Aufträge und uns als Kundinnen und Kunden. Dem Spital- und Gesundheitspersonal gebührt Dank für die hervorragende Arbeit, ebenso allen, welche die wichtigen Dienstleistungen auch in dieser Zeit aufrechterhalten haben. Unser System funktioniert auch in Zeiten einer Pandemie, trotz Schwierigkeiten und Unangenehmem, das kann nicht jedes Land für sich behaupten. Ich empfinde deshalb auch Gefühle der Dankbarkeit und eine Verpflichtung, denen, welche an den Folgen noch lange zu leiden haben, Hilfe zukommen zu lassen.