Ein wichtiges Thema der diesjährigen Frühjahrssession war der Service public. Es fanden Debatten statt über die Zukunft der Poststellen, die Internetgrundversorgung, den Mobilfunk-Ausbau, die Aktivitäten von Fernbuslinien, über die Kaderlöhne von staatsnahen Betrieben und es wurde auch Vergangenheitsbewältigung zum Fall PostAuto Schweiz AG geführt. Auch die Abstimmung über die No-Billag Initiative fiel zeitlich mit dieser Session zusammen.
Es ist verständlich, dass in einer Zeit, in welcher der Service public generell in Frage gestellt wird und in der über die völlige Ausgliederung von staatsnahen Betrieben diskutiert wird, solche Debatten stattfinden. Wichtig scheint mir dabei, die Versorgung der Bevölkerung mit Dienstleistungen zum Maßstab zu nehmen und nicht irgendwelche libertäre Grundsätze. Ausgliederung ist nicht Selbstzweck. Diese Gefahr ist aber zu erkennen. Diverse bürgerliche Parteien verfolgen eine solche Zielsetzung aus Prinzip. Für mich ist nicht entscheidend, wer eine Dienstleistung erbringt, sondern in welcher Qualität und zu welchen Bedingungen die Bevölkerung versorgt werden kann. Das führt mich dazu, immer zu hinterfragen, ob Private Dienstleistungen für die Bevölkerung wirklich billiger und besser erbringen können. Ich bin überzeugt, dass die Existenz von staatsnahen Betrieben mit Begleitung und Kontrolle durch die Parlamente durchaus Sinn macht.
Die verschiedenen Diskussionen haben mir auch wieder einmal den Unterschied zwischen unserer Basler liberalen Grundhaltung und libertären Züge anderer bürgerlichen Parteien aufgezeigt.
Landwirtschaftspolitik
Die Eidgenössischen Räte haben die Initiative für Ernährungssouveränität abgelehnt. Einen Gegenvorschlag gibt es nicht. Das Volksbegehren einer Ernährungssouveränität ist von einer Gewerkschaft aus dem Kreise von Bauern lanciert worden. Das Verbot von gentechnisch veränderten Organismen, der Import von nicht nachhaltig produzierten Lebensmitteln, der mit zusätzlichen Zöllen belegt werden soll und das Festlegen von „gerechten“ Preisen gehen zu weit. Der Verfassungsartikel zur Ernährungssicherheit regelt wichtige Elemente bereits. Protektionistische Tendenzen und Bevormundung der Konsumenten sollten nicht erfolgen.
Revision des Gesetzes über die Ergänzungsleistung
Der Nationalrat hat eine sehr restriktive Gesetzgebung beschlossen. Die diversen Forderungen nach Ausbau der Ergänzungsleistungen haben keine Mehrheiten gefunden. Es ist richtig, wenn man bei einem allfälligen Ausbau auch an künftige Mengenausweitungen denkt. Es soll nicht so sein, dass mit der Festlegung der Ansätze gleichzeitig Budgetdefizite für die Zukunft beschlossen werden. Hingegen gehe ich davon aus, dass der Ständerat die relativ strenge Fassung, welche der Nationalrat jetzt beschlossen hat, in wichtigen Bereichen „aufweichen“ wird. Insbesondere die Berücksichtigung der Mietkosten muss nochmals angeschaut werden. Auch andere Bereiche sollten erneut diskutiert werden. Zieht sich der Bund aus den Ergänzungsleistungen zurück, oder leistet er proportional weniger als früher, sind die Kantone oder Gemeinden gefordert, ihre Sozialleistungen dann auszubauen.
Fernbuslinien
Der Nationalrat hat keine Verschärfung der Bedingungen für die Betreiber von Fernbuslinien gewollt. Dies scheint mir richtig. Es nicht davon auszugehen, dass sich durch diverse Buslinien eine starke Konkurrenzierung unseres öffentlichen Verkehrs ergibt. Es wird aber zu beobachten sein, wie die Entwicklung weiterläuft. Grundsätzlich soll der Schienenverkehr in unserem Land gefördert werden.
Rechtliche Basis für die Überwachung von Versicherten
Viel zu reden gab die Schaffung einer rechtlichen Basis zur Überwachung von Versicherten. Alle Parteien äußerten sich klar für die Bekämpfung von Missbräuchen in der Sozialversicherung. Über die Massnahmen dazu herrschte allerdings keine Einigkeit. Das Parlament hat beschlossen, zusätzliche Überwachungsmassnahmen zu ermöglichen.
Künftig sollten sogar technische Instrumente zur Lokalisierung des Versicherten eingesetzt werden können, diese Massnahme braucht allerdings die Ermächtigung eines Richters.
Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass ein Referendum zuerst aus der Zivilgesellschaft lanciert worden ist. Die SP und auch die Gewerkschaften haben gezögert, jetzt scheint es so, als dass sie ein Referendum auch unterstützen. Es wird interessant sein zu sehen, wie das Volk den Missbrauch von Sozialversicherungsleistungen begutachtet, letztlich bezahlen ja alle Arbeitstätigen mit ihren Prämien die Leistungen; auch solche die missbräuchlich bezogen werden.
Aufarbeitung von politischen Vorstössen
Am meisten Zeit setzte der Nationalrat in dieser Session für die Abarbeitung der sehr langen Liste der persönlichen Vorstösse ein. Dabei sind wichtige und weniger wichtige Themen zur Sprache gekommen. Beispiele: künftig muss die Steuererklärung nicht mehr unterzeichnet werden. Die Terrorismus-Strafnorm soll mit einer Gesetzesreform rasch der aktuellen Situation angepasst werden. Die Liberalisierung des Strommarktes soll auch bald für Kleinkunden (Privathaushalte und Gewerbebetriebe) geöffnet werden.
Meine persönlichen Vorstösse
Als Nationalrat wird man oft von Organisationen oder Personen, die an einem politischen Thema besonders interessiert sind angefragt, einen Vorstoss zu lancieren. So erging es auch mir. Nicht alle Anliegen, die man als Nationalrat im Parlament behandelt haben möchte, sind aus der Optik jedes Parteimitglieds wichtig. Dennoch ist man als Volksvertreter gehalten, das „Ohr an der Bevölkerung zu haben“.
Pfadfinder:
Bekanntlich haben es Pfadfinder und andere Jugendorganisationen sehr schwer, geeignete Gelände für ihre Sommerlager zu finden. Die Landwirtschaft gibt nicht gerne grosse Areale für eine ganze Saison frei. Ich habe deshalb eine Interpellation verfasst, welche einen „runden Tisch“ aller Interessierter verlangt, der Jugendbewegungen, der Pfadfinder, der Bauern, des Militärs, des Sports etc. Es geht darum, Möglichkeiten zu finden, die Lager von Jugendorganisationen zu fördern.
Mehrwertsteuer-Rückerstattung:
Von Basel-Tourismus bin ich gebeten worden, einen unhaltbaren Zustand zu korrigieren. Wenn Touristen in der Schweiz einkaufen, können Sie bei der Ausreise die Mehrwertsteuer zurückverlangen. Die Modalitäten sind allerdings nicht sehr kundenfreundlich. Am Bahnhof SBB in Basel, wo viele Touristinnen und Touristen zum Beispiel nach Paris ausreisen, ist keine Zollstelle vorhanden, an der die Belege abgestempelt werden können. Touristen fahren deshalb nicht selten mit Bus zum Euroairport, lassen dort die Dokumente abstempeln und fahren anschießend wieder zum Bahnhof. Das ist unwürdig. Ich habe eine Korrektur dieses Zustandes verlangt.
Skilager:
Nachdem das Bundesgericht entschieden hat, dass Eltern für Schullager und Schulreisen ihrer Kinder nur für die Verpflegungskosten aufzukommen zu haben und der Rest Angelegenheit der Volksschule sei, ist die Zukunft von Skilagern etc. gefährdet. Allein in Basel-Stadt würde mit Mehrausgaben für den Staat wegen der wegfallenden Elternbeiträge von ca. 600’000 Franken gerechnet. Ich habe ich den Bund angefragt, ob Bereitschaft zur Übernahme von zusätzlichen Kosten besteht, weil die Sportförderung letztlich auch Aufgabe des Bundes ist.
Kooperationen der Hochschulen:
Gegeben durch meine berufliche Vergangenheit und die Mitgliedschaft in der Kommission Wissenschaft, Bildung, Kultur des Nationalrates, liegt mir die Hochschulpolitik sehr nahe. Ich habe mit Blick auf die bedauerlichen Entwicklungen der Hochschulfinanzierung durch Bund und Kantone – das Beispiel der Finanzierung der Universität Basel zeigt das Problem – angefragt, ob besondere Anreize geschaffen werden können, um Zusammenlegungen von Ausbildungsgängen verschiedener Universitäten und Hochschulen finanziell zu belohnen. In die neue Botschaft für Bildung, Forschung und Innovation des Bundes ab 2021 müssten Möglichkeiten für Anreize zur Kooperation aufgenommen werden. Ohne solche Incentives wird es nicht möglich sein, zwischen den einzelnen kantonal getragenen Hochschulen Synergien auszunutzen, wie dies seitens des Kantons Basel-Landschaft auch für die Universität Basel gefordert wird.